Versuchen Sie schon länger, eine neue gute Gewohnheit aufzubauen, und es will nicht so richtig gelingen?
Werfen wir zunächst mal einen Blick darauf, warum die Entwicklung von Gewohnheiten erstrebenswert erscheint:
Gewohnheiten entwickeln sich über Versuch und Irrtum: Wenn ich auf eine neue Situation treffe, entscheidet sich mein Gehirn für eine Reaktion, wenn diese belohnt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung. Gewohnheiten können daher auch bezeichnet werden als eine Reihe von automatischen Lösungen für Probleme und Belastungen, denen ich regelmäßig ausgesetzt bin.
Der Vorteil von Gewohnheiten ist, dass sie eine geringere Gehirnaktivität erfordern als neue Lösungen. Sie setzen damit geistige Kapazitäten frei, die für anderes (Wichtiges, Neues) genutzt werden können.
Gewohnheiten laufen automatisiert ab. Ich benötige für ihre Ausführung so gut wie keine Willenskraft oder bewusste Entscheidung mehr.
Und doch fällt uns der Aufbau neuer Gewohnheiten oft schwer.
Hier hilft das Prinzip der „Mini-Gewohnheiten“.
Was sind Mini-Gewohnheiten?
Warum kleine Gewohnheiten große Wirkungen zeigen
Für den Aufbau neuer Gewohnheiten ist es sinnvoll, ein paar „Regeln“ zu beachten. Eine dieser Regeln lautet: „Die Gewohnheit muss einfach sein.“ Genau darum geht es bei den Mini-Gewohnheiten (tiny habits).
Je weniger Energie ich für eine neue Gewohnheit brauche, desto wahrscheinlicher setze ich sie um. Wir wollen nicht die Gewohnheit / das Verhalten, sondern das Ergebnis. An manchen Tagen sind wir hoch motiviert, an anderen gar nicht. der Trick besteht daher darin, eine Gewohnheit zu bilden, die so lächerlich einfach ist, dass wir sie auch an unmotivierten Tagen ausführen. Ziel ist es, zunächst einmal eine regelmäßige Ausübung zu etablieren. Die einzelne Einheit ist dabei zunächst so lächerlich klein, dass mein Schweinehund (bei mir ist es ein Schweineelefant…) keine Chance hat. Es geht ums Aufraffen, darum, anfangs konsequent etwas Einfaches tun, anstatt sofort nach Perfektion zu streben.
Was „erschwerend“ hinzukommt: Sie werden stolz auf sich sein. Endlich bauen Sie eine erwünschte Gewohnheit aufgebaut, was Ihnen bisher nicht so recht gelingen wollte. Sie haben täglich Erfolgserlebnisse, was das Zutrauen in sich selbst steigert und so dazu führt, dass Gewohnheiten ausgebaut werden.
Wie Sie sich den Anfang zusätzlich vereinfachen
Eine weitere Regel für den Aufbau neuer Gewohnheiten lautet: „Die Gewohnheit muss offensichtlich sein.“ Das bedeutet, dass ein offensichtlicher Auslösereiz dabei hilft, die Gewohnheit aufzubauen. Dieser kann z.B. darin bestehen, dass ich morgens die Joggingschuhe in den Flur lege, damit ich beim Nachhausekommen darüber stolpere. Das erinnert mich dann an meine neue geplante Gewohnheit: „Nach dem Nachhausekommen jogge ich (5 Minuten lang).“ Oder ich stelle eine Schale mit Rohkost auf den Schreibtisch, wenn die neue Gewohnheit lauten soll, täglich Gemüse zu essen. Solche offensichtlichen Auslösereize machen es dem Schweinehund schwerer, ich benötige weniger Motivation oder Willenskraft, das Verhalten auszuüben.
Anne Thorndike, eine Allgemeinmedizinerin in einem Krankenhaus in Boston, zeigte, dass es möglich ist, die Ernährungsgewohnheiten von Besuchern und Beschäftigten zu verbessern, ohne deren Motivation zu verändern, sie sprach nicht einmal mit ihnen. Stattdessen wurden in der Cafeteria an deutlich mehr Stellen Körbe und Kühlschränke mit Wasserflaschen aufgestellt, Softdrinks gab es nur noch in den Hauptkühlschränken, Wasser an allen Getränkestellen. In den darauffolgenden drei Monaten sanken die Softdrink-Verkäufe um 11,4%, der Umsatz mit Wasserflaschen stieg um 25,8%.
Hilfreich ist es auch, die neue Gewohnheit an eine gut etablierte dran zu hängen. Dafür kann es sinnvoll sein, zunächst die gut etablierten Gewohnheiten aufzulisten, um einen geeigneten Anker zu finden. Zu diesen Gewohnheiten gehören z.B. Zähneputzen, Duschen, Anziehen, das Haus verlassen, um zur Arbeit zu gehen etc. Ich kann auch Ereignisse als Anker nutzen, die mit der erwünschten Regelmäßigkeit quasi von alleine eintreten. Dann bilde ich einen Vorsatz nach dem Schema: „Wenn Situation X (gerne Zeit und Ort) eintritt, führe ich Reaktion Y aus.“ Der Vorteil ist, dass ich in der entsprechenden Situation keine Entscheidung mehr zu treffen brauche, sondern „einfach“ handle.
Gute Gewohnheiten im Alltag beibehalten
Wer kennt das nicht: Mit viel Mühe habe ich eine neue Gewohnheit aufgebaut und nach einiger Zeit schläft sie wieder ein. Daher hier noch ein paar Tipps, um die Gewohnheiten auch beizubehalten:
Gewohnheitstracker
Die durchgeführte Gewohnheit wird „abgehakt“. Dafür kann ich z.B. im Kalender ein Kreuz oder eine Notiz machen oder eine App nutzen. Gewohnheitstracking ist offensichtlich: Ein Kreuz im Kalender schafft den Auslösereiz für die nächste Ausübung. Gewohnheitstracking ist befriedigend: Das Tracking selbst dient als Belohnung. Um das Tracking zu vereinfachen, ist es sinnvoll, vorhandene „Dokumentationen“ zu nutzen.
Zwei Ausfälle sind eine neue Gewohnheit
Die neue Gewohnheit sollte niemals zweimal hintereinander ausfallen, denn das zweite Aussetzen ist der Beginn einer neuen Gewohnheit. Führen Sie die Gewohnheit lieber unvollständig oder nicht „perfekt“ aus. Wichtig ist die Regelmäßigkeit.
Gewohnheitsvertrag
Schließen Sie einen Gewohnheitsvertrag mit einer Rechenschaftspartnerin oder einem Rechenschaftspartner. Notieren Sie die neue Gewohnheit konkret sowie die Folgen bei Verstoß gegen den Vertrag (anderem Unterzeichner 50€ zahlen, einen Monat lang immer schick angezogen sein, eine Woche lang das Cap des gegnerischen Vereins tragen; automatische/r mail / Post, um 7:10, wenn ich um 7:00 aufstehen will, dass ich noch schlafe und jede Antwort auf die mail / den Post mit 5€ belohnt wird, etc.). Den Vertrag unterzeichnen Sie dann gemeinsam.
Abwechslung
Sorgen Sie innerhalb der erwünschten Gewohnheit für Abwechslung (z.B. unterschiedliche Joggingstrecken / Sportübungen, verschiedene Gemüsesorten, etc.), sonst langweilt die Gewohnheit Sie ggf. irgendwann. Alternativ können Sie auch schrittweise die Intensität steigern, wenn das zu Ihrem Ziel passt.
Evaluation
Überprüfen Sie regelmäßig Ihre neuen Gewohnheiten (z.B. alle 6 Monate). Gewohnheiten stellen keinen Selbstzweck dar, sondern Sie wollen damit etwas erreichen, Sie bilden damit Ihre Identität. Sie wollen z.B. ein Läufer sein, ein Schachspieler, jemand, der sich gesund ernährt etc. Fragen Sie sich daher:
- Ist die Gewohnheit erfolgreich (im Sinne der angestrebten Identität)?
- Ist die Gewohnheit noch passend zu meiner (vielleicht leicht veränderten) Identität?
- Führe ich sie noch so aus, wie beabsichtigt?
Je nach Ergebnis der Evaluation passen Sie die Gewohnheit an, verändern oder verwerfen sie.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Aufbau neuer Gewohnheiten.
Autorin: Nicole Wendisch