„Du kannst nicht dankbar und unglücklich zugleich sein.“ (Robert Emmons)
Im letzten Blog-Artikel habe ich darüber geschrieben, wie Dankbarkeit uns glücklich macht. In dem heutigen Beitrag stelle ich drei konkrete Übungen vor, um mehr Dankbarkeit in den Alltag zu bringen.
Das Dankbarkeitstagebuch
Das Dankbarkeitstagebuch ist eine klassische Methode, um Dankbarkeit zu üben. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Dankbarkeitstagebuch zu schreiben. Mein Vorschlag: fangen Sie mit dem täglichen Schreiben an. Überlegen Sie sich einen geeigneten Zeitpunkt am Tag (vermutlich eher abends), verankern Sie das Tagebuchschreiben evtl. mit einer täglichen Routine (nach dem Zähneputzen, nach dem Abendessen etc.). Hilfreich kann es sein, sich ein Notizbuch dafür zu kaufen, das Ihnen sehr gut gefällt. Dann geht es los. Zum vorher festgelegten Zeitpunkt stellen Sie sich täglich die Frage: Wofür bin ich heute dankbar? Notieren Sie drei Dinge des Tages, für die Sie dankbar sind. Mit Ihren Antworten rufen Sie sich die schönen Momente des Tages in Erinnerung: die warmen Sonnenstrahlen beim Spaziergang, das gemeinsame Lachen in der Mittagspause, das vertraute Gespräch mit der Freundin, der zündende Gedanke beim Lesen eines Buches, die glückliche Fügung im Beruf. So erleben Sie die Momente, für die Sie dankbar sind, abends noch einmal. Sie schließen mit dem Tag auf ruhige und besonnene Weise ab.
Mit der Zeit machen Sie vermutlich eine Entdeckung: Sie beobachten bereits im Laufe des Tages, wofür Sie dankbar sind. Durch diese Übung halten wir nämlich bewusst Ausschau nach diesen Momenten, weil wir sie für abends speichern wollen. Auf diese Weise erleben Sie schon während des Tages Ihre Dankbarkeit.
An Tagen mit vielen positiven Ereignissen wird Ihnen die Übung leichtfallen. Doch an Tagen, an denen Sie Stress, Niedergeschlagenheit, Ärger oder Frust erleben, werden Sie anfangs vielleicht den Kopf schütteln: Mir fällt wirklich nichts ein, wofür ich dankbar bin.
Deshalb ist dieses Ritual der „Drei Dinge“ eine Übung. Wenn wir uns kontinuierlich in Dankbarkeit üben, finden wir auch an schwierigen Tagen etwas, wofür wir dankbar sind.
Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass das tägliche Führen des Dankbarkeitstagebuches ggf. dazu führt, dass es als Pflichterfüllung angesehen wird oder zur Gewohnheit wird und damit an Wirksamkeit verliert. Ich empfehle daher, mit dem täglichen Schreiben zu beginnen, um den Blick für das zu schärfen, wofür Sie dankbar sind, und dann im Verlauf selbst herauszufinden, welches der passende Rhythmus für Sie ist (vielleicht einmal wöchentlich).
Der Dankbarkeitsbrief
Überlegen Sie sich, wer Ihnen in der letzten Zeit etwas Gutes getan hat oder wer immer für Sie da war. Das kann ein direkter Verwandter sein, ein alter Freund, ein Mentor oder auch ein Mensch, den Sie nie persönlich kennengelernt haben, dessen Arbeit aber einen großen Einfluss auf Sie hatte. Schreiben Sie dann dieser Person, der Sie dankbar sind, einen Brief. Hierfür gibt es nun wieder verschiedene Möglichkeiten. Sie können den Brief in einem Rutsch durchschreiben. Oder Sie können sich immer wieder dransetzen. In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass es schon ausreicht, über mehrere Wochen eine Viertelstunde pro Woche an dem Brief zu schreiben. Es stellte sich auch heraus, dass bereits das einfache Schreiben dieses Briefes ausreicht, um das Glücksgefühl nachweislich zu steigern. Der Brief muss nicht unbedingt abgeschickt werden. Gleichzeitig verdoppelt das Abschicken oder Überreichen das Glück.
Martin Seligman hat sich dem Dankesbrief von wissenschaftlicher Seite genähert, mit großem Erfolg. Die Versuchsteilnehmer wurden gebeten, einen Dankesbrief zu schreiben und persönlich an einen Menschen auszuhändigen, der ihnen eine große Hilfe war, bei dem Sie sich aber nie richtig bedankt hatten. Nicht nur, dass die Teilnehmer dadurch erheblich glücklicher wurden, Sie profitierten von dem Dankesbrief auch deutlich stärker als von vergleichbaren Glückstechniken und der Effekt dieses einen Briefs war noch bis zu einen Monat nach Auslieferung messbar.
Die Dankbarkeitsliste
Mit einer Dankbarkeitsliste erstellen Sie sozusagen ein Inventar dessen, wofür Sie in Ihrem Leben dankbar sind. Sie setzt daran an, dass wir, wie oben beschrieben, viele Dinge nach einiger Zeit als selbstverständlich erleben. Diese Liste bietet die Gelegenheit, den Blickwinkel zu verändern und sich die vielen positiven Dinge im Leben zu vergegenwärtigen.
Nehmen Sie sich einen Zettel und einen Stift und schreiben Sie oben auf den Zettel einen dieser Satzanfänge:
- Ich kann mich glücklich schätzen, dass …
- Es ist schon etwas ganz Besonderes, dass …
- Ich bin dankbar für …
Suchen Sie sich den Satzanfang aus, der Sie gerade am meisten anspricht oder entwickeln Sie einen eigenen.
Dann stellen Sie sich einen Timer auf 5 Minuten. Starten Sie den Timer und schreiben Sie alles auf, was Ihnen zu diesem Satzanfang einfällt. Wirklich alles. Halten Sie 5 Minuten durch. Auch wenn Sie nach kurzer Zeit denken, dass Ihnen nichts mehr einfällt, es wird Ihnen noch was einfallen.
Alternativ zum Satzanfang können Sie auch alle Buchstaben des Alphabets auflisten und ohne Zeitbegrenzung zu jedem Buchstaben etwas finden, für das Sie dankbar sind und das mit dem Buchstaben beginnt (das X darf ausgelassen werden ;-)).
Schließlich haben Sie eine tolle Sammlung von Dingen, für die Sie dankbar sein können. Und Sie können diese Liste jederzeit hervorholen, um sich zu erinnern und um sie zu erweitern.
Ich freue mich, wenn ich Sie mit den vorgestellten Übungen inspirieren konnte, mehr Dankbarkeit in Ihr Leben zu integrieren. Bedenken Sie, dass Dankbarkeit ein bisschen Training braucht und halten Sie eine Übung möglichst eine Weile durch, auch wenn sie nicht sofort ein deutliches Ergebnis zeigt.
Autorin: Nicole Wendisch, 2023